Etymologie
Die Bezeichnung Bergkristall ist eine Zusammensetzung aus den Wörtern Berg und Kristall.[1] Ersteres bezeichnet den häufigsten Fundort des Gesteins – das Gebirge. Zweiteres ist ein ursprünglich aus dem Altgriechischen entlehnter Begriff κρύσταλλος, der auf die Wurzeln κρύος („eiskalt“) und στέλλειν („verfestigen“) zurückgeht und so viel wie „verfestigtes Eis“ bedeutet.[2] Bergkristall ist seiner Bedeutung gemäß daher als „verfestigtes Gebirgseis“ zu verstehen. Der Begriff Kristall mitsamt seiner ursprünglichen Bedeutung ist uns sehr gut durch die Schriften des Naturforschers Theophrastos von Eresos (372–288 v. Chr.) überliefert.[3] Ursprünglich bezeichnete das Wort sämtliche, nach heutigem Verständnis dem Bergkristall ähnliche klare Gesteinsarten. Als Sammelbegriff für kristallförmige Steine wurde er im Mittelalter, etwa um das 15. Jahrhundert, durch den ursprünglich aus dem Bergbau stammenden Begriff Quarz abgelöst.[4] Heute sind beide Begriffe für Bergkristall zulässig, wobei es sich bei Bergkristall nach heutigem Verständnis um eine Handelsbezeichnung und bei Quarz um einen wissenschaftlichen Sammelbegriff handelt. Im wissenschaftlichen Kontext wird Bergkristall aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung häufig auch als „reiner Quarz“ bezeichnet.[5]
Überlieferung & Mythos
Bergkristall zählt zu den ältesten durch den Menschen genutzten Edelsteinen. Erfreut sich Bergkristall heutigentags vor allem als Schmuckaccessoire großer Beliebtheit, diente er in den Uranfängen der Menschheit vor allem zuerst als einer der Ersten vom Menschen genutzten Steine für relativ urtümliche Zwecke, wie beispielsweise dem Feuermachen. Erst als der Wohlstand des Menschen stieg und die Bedeutung von Edelsteinen einen Wandel vom Nützlichen zum prachtvollen Prunk vollzog, entwickelte sich Bergkristall von einem zuerst noch in der Medizin verschiedentlich genutzten Stein, wie Plinius berichtet, zu einem Prunkmaterial und Prunksymbol, der Herrscherklasse aus dem vor dem Hintergrund seiner ihm zugeschriebenen kühlenden Wirkung Kelche, Krüge, Karaffen, Pokale und Schalen hergestellt wurden. Wurde der Stein zuerst noch von Ärzten in Pulverform zum Mehren der Muttermilch, in Kugelform zum Brennen und zur Behandlung der Haut genutzt. Entwickelte sich der Stein mit seiner Erscheinung zunehmend zu einem nachahmenswerten Material, dass in der Antike nicht zuletzt sukzessive die Entwicklung und Herstellung von Glas, vorantrieb. So sollen sogar, wenn die überlieferten Gerüchte des Plinius stimmen, die ersten Glase die in Indien produziert wurden auf Grundlage von Bergkristallpulver hergestellt worden sein. Als leicht formbarer Ersatz zu dem Gestein löste Glas diesen sehr bald in vielen Bereichen ab, entbehrte, aber zahleichen, dem Gestein zugeschriebenen Vorzügen, die das Gestein im Handel zu einem der wertvollsten Materialien der Antike werden ließen. Im Mittelalter erlebte Bergkristall in Prüfung des überlieferten antiken Wissens, im medizinischen Bereich einen erneuten Aufschwung. Kaum eine Enzyklopädie des Mittelalters weiß Bergkristall, ohne eine Heilwirkung auszuweißen. Hildegard von Bingen überliefert, ihn erfolgreich gegen Magenleiden einzusetzen. Auch wurde das Gestein zunehmend durch Auflegen gegen Krankheiten im Bereich des Halses eingesetzt. In der neueren Esoterik entwickelte sich daraus der Gedanke, das Gestein insbesondere der Schilddrüse zuzuordnen. In der alternativen Medizin wird der Stein gründend auf dieser wieder zunehmend eingesetzt.
Herleitung
Für die Antike und das Mittelalter war neben der Klarheit vor allem die kristalline Form des Gesteins von höchster Wichtigkeit. Unter Bergkristall verstand man in den Uranfängen der Menschheit vom Himmel gefallenes oder aus der Erde herausgewachsenes Eis. Von daher wies man dem Gestein primär das Element Wasser zu. Die herausragende Klarheit und die damit verbundene Eigenschaft, selbst in der Sonne verhältnismäßig kühl zu bleiben, bestärkte seine Entdecker in der Ansicht, dass es sich bei dem Gestein um hartgewordenes Eis handeln müsse. Als magischer Eiskristall diente er dem Menschen unter anderem dazu, durch geschickte Lichtb?ndelung trockene Halme zu entzünden und stellte so einen der ersten Wege für die Menschheit dar, Feuer für sich nutzbar zu machen. Als den Gegensatz von Feuer und Wasser in sich verbindend, nutzte man das Gestein in der mittelalterlichen Medizin vor allem dazu schlechte Säfte aus dem Körper auszuleiten. Durch Erwärmung und anschließende Abkühlung, durch Pulverisieren und das Einlegen in Wasser wurde der Stein verschiedentlich bei Magen und Augenbeschwerden aber auch zahlreichen anderen Beschwerden eingesetzt. Bis heute wird Bergkristall in Anlehnung an diese Vorstellungen zur Herstellung von Edelsteinwasser genutzt.
Entstehung & Vorkommen
Bergkristall ist die farblose, makroskopisch transparente Varietät des Minerals Quarz (SiO2). Die Entstehung erfolgt vorwiegend aus hydrothermalen Lösungen bei Temperaturen zwischen etwa 150 °C und 400 °C, wobei stark mit Siliziumdioxid übersättigte Fluide in Klüften, Gängen oder Drusenräume eindringen und unter langsamem Abkühlen zur Auskristallisation führen[1[2]. Geochemisch begünstigt wird die Bildung durch leicht alkalische Milieus mit hoher Fluidaktivität und geringen Konzentrationen von Fremdionen. Die Fluide können sowohl magmatischen, metamorph-hydrothermalen als auch meteorischen Ursprungs sein, wobei kristallisationsfördernde Parameter wie Temperaturgradient, Druckverhältnisse und SiO2-Lösungsaktivität entscheidend sind[3].
Die Ausbildung von Bergkristall erfolgt bevorzugt in alpinen Klüften, Pegmatiten oder gangförmigen Ausfüllungen. In der Schweiz sind Fundorte im Aare-Gotthard-Massiv dokumentiert, wo alpine Klüfte innerhalb metamorphen Gesteins durch spätorogene Deformation geöffnet wurden. Der Bergkristall dort entstand teils im Tertiär und ist mit Mineralen wie Adular, Chlorit oder Calcit vergesellschaftet[4]. Im subpolaren Ural hingegen finden sich Vorkommen in paläozoischen Metasedimenten und Magmatiten, wobei sowohl konforme als auch quer verlaufende Quarzadern Bergkristalle enthalten, die oft als Hohlraumfüllungen mit charakteristischen Wachstumslamellen auftreten[5]. Besonders große Kristalle von mehreren Metern Länge wurden dort in offenen Drusen gebildet, teilweise begleitet von deutlichen Spuren von Zwillingsbildung (Dauphiné- und Brazil-Zwillinge)[5].
Aussehen & Eigenschaften
Bergkristall kristallisiert im trigonalen Kristallsystem (Raumgruppe P3221) mit einer typischen prismatisch-rhomboedrischen Morphologie. Häufig treten klare terminale Flächen mit Wachstumsstörungen, Etchmustern oder Zwillingen auf[6]. Die Mohshärte beträgt 7, die Dichte liegt bei ca. 2,65 g/cm3. Das Mineral zeigt keinen Spalt, sondern muscheligen Bruch, ist vollständig durchsichtig bis transparent, mit glasartigem Glanz und weißem Strich. Farblose Exemplare zeichnen sich durch eine äußerst geringe Konzentration an mineralischen oder flüssigen Einschlüssen aus. Dennoch treten vereinzelt Flüssigkeitseinschlüsse, CO2-Gasblasen, oder mikroskopische Einschlüsse von Hämatit, Chlorit oder Ilmenit auf[5][7].
Ein zentrales Forschungsfeld sind paramagnetische Zentren in Bergkristall, die Rückschlüsse auf Bildungsbedingungen und eventuelle Manipulationen erlauben. Die wichtigsten strukturellen Defekte sind Aluminium-Substitutionen für Silizium mit Ladungsausgleich durch Li⁺ oder H⁺, was zu [AlO4]0-Zentren führt. Diese Defekte werden unter Bestrahlung (z. B. 30 Mrad γ-Strahlung) aktiv und verursachen Farbzentren wie in rauchigem oder citrinfarbenem Quarz[5]. Die Konzentration solcher Zentren variiert stark mit Kristallgeneration und Wachstumsbedingungen. Bergkristalle aus dem Ural zeigen bis zu 359 ppm [AlO4]0-Zentren, während feinkörnige und granulare Quarze deutlich geringere Werte aufweisen[5]. Die Konzentration an Ge/Li-Zentren (Germanium) ist dabei meist zwei Größenordnungen niedriger, aber korreliert positiv mit dem Aluminiumgehalt.
Formel |
SiO₂ + (Na, K, Cl, S, C) |
Mineralklasse |
4 |
Kristallsystem |
trigonal |
Mohshärte |
7 |
Dichte |
2.65 |
Spaltbarkeit |
keine |
Bruch |
muschelig |
Strichfarbe |
weiß |
Farbe/Glanz |
Glasglanz |
Manipulation & Imitation
Manipulationen von Bergkristall erfolgen primär durch thermische Behandlung oder Bestrahlung. Bestrahlung führt durch Elektronendefektdichte zu einer Rauchfärbung, während durch Erhitzen auf 400–1000 °C farblose Quarze in Citrin überführt werden können. Diese Prozesse sind reversibel bis etwa 200 °C, darüber hinaus irreversibel. Der Nachweis solcher Behandlungen erfolgt mittels EPR-, UV-VIS- oder Raman-Spektroskopie[5][8]. Unbehandelte Bergkristalle zeigen typischerweise Zwillingsstrukturen, Wachstumszonen und natürliche Einschlussmuster, während behandelte Exemplare oft homogen gefärbt und frei von natürlichen Strukturen sind[2].